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								Lagrangepunkte, stabile Orbits und Trojaner 
								Eine kurze Notiz zum 
								Dreikörperproblem. 
								  
								  
  
								Wie bewegt sich ein Körper im Schwerefeld zweier Massen? Um diese Frage, also 
das Dreikörperproblem, zu untersuchen, muss man sich zunächst mit zwei Körpern 
(punktförmigen Massen) beschäftigen, also mit dem Zweikörperproblem (oder 
Keplerproblem). Bevor man Bewegungsgleichungen aufstellt (für zwei oder drei 
Körper), ist es angebracht, sich ein Bild über die Potentiale zu machen: 
								
												
																
																  | 
																
																  | 
												 
												
																| 
																Angenommen zwei 
																Massen (z.B. 
																Sonne und Erde) 
																sind auf zwei 
																Punkte fixiert 
																(auf dem Papier 
																oder dem 
																Bildschirm :-). 
																Dann gehört zu 
																jeder Masse ein 
																Potentialtrichter, 
																der zur Masse 
																proportional und 
																zum Abstand 
																umgekehrt 
																proportional ist 
																(in der 
																Darstellung sind 
																die Trichter 
																nach unten 
																abgeschnitten, 
																fiktives 
																Massenverhältnis 
																10:1). Zwischen 
																den beiden 
																Massen liegt ein 
																Sattelpunkt: 
																eine dritte dort 
																ruhende Masse 
																befindet sich im 
																labilen 
																Gleichgewicht 
																(in x-Richtung) 
																und "stürzt" bei 
																der geringsten 
																Störung in einen 
																der beiden 
																Trichter. | 
																Natürlich 
																kann man zwei 
																Massen nur auf 
																dem Papier auf 
																zwei Punkte 
																fixieren. In der 
																Realität ziehen 
																sich zwei Massen 
																an und würden 
																sich (aus der 
																Ruhe startend) 
																beschleunigt 
																geradlinig 
																aufeinander zu 
																bewegen und 
																kollidieren. 
																Dass die Erde 
																nicht in die 
																Sonne fällt, 
																liegt daran, 
																dass sich beide 
																Massen um ihren 
																gemeinsamen 
																Schwerpunkt 
																bewegen. Kepler 
																hat die Lösung 
																für dieses 
																Zweikörperproblem 
																angebahnt, und 
																seit Newton 
																haben wir die 
																Bewegungsgleichungen 
																dafür (die sich 
																für zwei 
																Körper 
																geschlossen/analytisch 
																lösen lassen). | 
												 
								 
								Anscheinend kommt es auf das Bezugssystem an: 
								Die Animation zeigt die Bewegung der beiden 
								Massen in einem Inertialsystem, z.B. dem System 
								der Fixsterne oder siderisch.  Im 
								Bezugssystem der Erde (synodisch) ruhen die 
								Potentialtrichter, aber dieses System ist kein 
								Inertialsystem, sondern...: 
								
												
																
																Im rotierenden 
																System (z.B. 
																Erde - Sonne) 
																kommt zu dem 
																Gravitationspotential 
																das 
																Zentrifugalpotential 
																hinzu, das 
																quadratisch mit 
																dem Abstand zum 
																gemeinsamen 
																Schwerpunkt 
																zunimmt. Dadurch 
																verschiebt sich 
																der Sattelpunkt 
																von oben etwas 
																(L1). Außerdem 
																entstehen zwei 
																weitere 
																Sattelpunkte auf 
																der 
																Verbindungslinie 
																Sonne - Erde, 
																nämlich die 
																Lagrangepunkte 
																L2 und L3 (L1, 
																L2, L3 werden 
																die 'kollinearen 
																L-Punkte' 
																genannt), sowie 
																die L-Punkte L4 
																und L5 als 
																Maxima des 
																resultierenden 
																Potentials (rote 
																Berggipfel), die 
																mit den beiden 
																Massen 
																gleichseitige 
																Dreiecke bilden. 
																In allen 
																L-Punkten ist 
																eine dritte im 
																rotierenden 
																System ruhende 
																Masse im labilen 
																Gleichgewicht. 
																Dennoch gibt es 
																stabile Bahnen 
																um diese 
																Librationspunkte, 
																weil die 
																Corioliskraft 
																eine Ablenkung 
																bewirkt, die 
																proportional zur 
																Geschwindigkeit 
																der dritten 
																Masse ist. Diese 
																'rollt also 
																nicht einfach 
																den Berg 
																hinunter', 
																sondern wird um 
																so stärker (nach 
																rechts) 
																abgelenkt, je 
																schneller sie 
																sich bewegt, 
																'steigt also 
																wieder aufwärts' 
																- wenn die 
																Anfangsbedingungen 
																stimmen. 
																Und wir werden 
																noch sehen, dass 
																es nicht ganz 
																einfach ist, die 
																passenden 
																Anfangsbedingungen 
																zu finden... | 
																
								  | 
												 
								 
								
								Bevor wir die
								Bewegungsgleichungen aufstellen noch eine 
								Bemerkung zu den gängigen Konventionen: Es ist 
								üblich (weil zweckmäßig), die Gesamtmasse 
								M(Sonne) + m(Erde) = 1 zu setzen, und als 
								Ursprung des synodischen Systems den gemeinsamen 
								Schwerpunkt zu wählen. Dann ist der Abstand 
								zwischen M und m gleich 1 und M befindet sich 
								bei x = -m, und m bei x = 1-m (die x-y-Ebene ist 
								'die Ekliptik'). Wählt man noch die 
								Gravitationskonstante gleich 1, so rotiert das 
								synodische System mit der Winkelgeschwindigkeit 
								1 und man erhält als Bewegungsgleichungen für 
								einen dritten Körper im synodischen System, 
								dessen Masse im Vergleich zu M und m 
								vernachlässigbar ist: 
								
								  
								Dabei steht auf den rechten Seiten der 
								Gleichungen jeweils die partielle Ableitung des 
								Potentials nach der entsprechenden Koordinate. 
								Nun ja - das sieht nicht gut aus: die 
								Gleichungen sind nicht nur gekoppelt, sondern 
								auch noch ('hochgradig') nichtlinear und lassen 
								sich nicht analytisch lösen, das 
								Dreikörperproblem eben. Um eine Ahnung davon zu 
								bekommen, wie sich der dritte Körper 'im 
								Prinzip' in der Nähe der Librationspunkte 
								bewegt, kann man die Gleichungen linearisieren, 
								also eine Reihenentwicklung der rechten Seiten 
								um L1...L5 machen. Dann entkoppelt die Gleichung 
								für z(t) und wird zu einer 'normalen 
								Schwingungsgleichung'. Für die Bewegung in x- 
								und y-Richtung (in der Ekliptik) findet man 
								ebenfalls Schwingungsgleichungen (mit anderer 
								Frequenz), aber 'leider' auch exponentielle 
								Anteile (als Funktion der Zeit). Exponentielle 
								Anteile mit negativem Exponenten sind dabei 
								nicht kritisch, weil sie von selbst abklingen 
								(gedämpfte Schwingung). Aber positive Exponenten 
								befördern die dritte Masse 'ziemlich schnell ins 
								Jenseits', falls man nicht durch 'geeignete 
								Anfangsbedingungen' dafür sorgt, dass die 
								Amplitude dieses Terms möglichst klein ist, am besten gleich 
								0. Das lässt sich erreichen, und man hat damit eine erste 
								Näherung bzw. eine erste Antwort auf die Frage, 
								wie man einen Satelliten in den L-Punkten 
								stationieren kann. Umgekehrt kann man natürlich 
								den positiven Exponenten (a*t, a>0) negativ 
								machen, indem man die Zeit rückwärts laufen 
								lässt. Dann fliegt der Satellit nicht 
								'exponentiell weg', sondern landet sanft in 
								einer 'labilen Librationsbahn'. Und genau dies 
								wird verwendet, wenn man Satelliten in L1 bis L3 
								'parken' will. 
								Kollineare L-Punkte 
  
    
      Die Sattelpunkte sind grundsätzlich instabil, d.h., ein Satellit kann sich 
		dort nicht beliebig lange halten, sondern muss durch Steuermanöver 
		kontrolliert werden. 
		Nebenstehend ist exemplarisch eine Bahn um den L2 gezeigt, die von der 
		Erde aus (rechts, etwas außerhalb des Bildes, synodisches Bezugssystem) 
		erreicht werden kann. Die blaue Kurve zeigt die 3D-Bahn, die roten 
		Kurven sind die Projektionen auf die Koordinatenebenen. Die (fast) 
		geschlossene Bahn besteht aus acht Umläufen, die jeweils etwa ein halbes 
		Jahr dauern (man muss also nicht allzu oft nachsteuern). Für den 
		Einschuss in die Bahn (seine Darstellung) wurde einfach die Berechnung 
		ein (knappes) halbes Jahr früher gestartet. Umgekehrt würde sich der 
		Satellit aus der geschlossenen Bahn schnell verabschieden, wenn man ein 
		halbes Jahr zu lang wartet. Bei der gezeigten Bahn handelt es sich um 
		eine 'Halo-Bahn', die ihren Namen von dem Aussehen der Projektion auf 
		die y-z-Ebene hat, also von der Erde aus gesehen so erscheint. 
		Halo-Bahnen entstehen, wenn die Frequenzen der Schwingungen in 
		z-Richtung und in x-y-Richtung nahezu gleich sind. Liegt die Bahn in der 
		Ekliptik, so spricht man von Ljapunov-Bahnen, die dann so aussehen, wie 
		die gezeigte Projektion auf die x-y-Ebene (aber für die Raumfahrt nicht 
		besonders interessant sind). | 
    
        |  
  
    
      Die Frequenzen der Schwingungen in z-Richtung und in x-y-Richtung sind nur 
		für (relativ) große Amplituden nahezu gleich. Verkleinert man den 
		Abstand zum L-Punkt, so unterscheiden sie sich merklich, und man erhält
      Lissajous-Bahnen. Alles klar? 
		 
		Anmerkungen zur Methode: Die Bewegungsgleichungen 
		wurden mit Maple numerisch integriert. Es empfiehlt sich eine 
		Rechengenauigkeit von mindestens 30 geltenden Ziffern, weil sich sonst 
		alleine durch das 'numerische Rauschen' der Satellit aus der instabilen 
		Ruhelage entfernt (Ljapunov lässt grüßen!). 
		'Geeignete Anfangsbedingungen' findet man mit einem 'first guess' 
		mithilfe der linearisierten Bewegungsgleichungen etwa auf 3 geltende 
		Ziffern genau. Für jeden weiteren 'geschlossenen Umlauf' muss man dann 
		die Anfangsbedingungen um etwa 3 geltende Ziffern verfeinern (Ljapunov 
		lässt noch einmal grüßen!). | 
    
        | 
   
  
 
Im Vergleich zu den kollinearen L-Punkten sind L4 und L5 nicht nur für den 
Maple-Programmierer, der sich nach mehr oder weniger stabilen Bahnen sehnt, ein 
gefundenes Fressen: 
Trojaner  
								
												
																Im Gegensatz 
																zu L1...L3, die 
																'selbstreinigend' 
																sind, weil sich 
																dort kein Körper 
																lange ohne 
																Nachsteuerung 
																aufhalten kann, 
																sind L4 und L5 
																aus der Sicht 
																des (Maple-) 
																Programmierers 
																'pflegeleicht', 
																weil dort nicht 
																schon nach der 
																kleinsten 
																Störung das 
																Chaos ausbricht. 
																Vielmehr kann 
																dort 'der dritte 
																Körper' (oder 
																Mann?) beliebig 
																lange auf den 
																Bergrücken des 
																Potentials hin 
																und her wandern. 
																Die 
																Corioliskraft 
																bewahrt ihn vor 
																dem Abgleiten. 
																Dabei ergeben 
																sich 
																Zykloidenbahnen, 
																wie bei der 
																Bewegung von
																
																Elektron in 
																gekreuzten 
																Feldern. 
																 
																Aus diesem Grund 
																sammelten sich 
																z.B. im System 
																Sonne - Jupiter 
																Trojaner an, 
																 
																 | 
																
																  | 
												 
												
																die je nach 
																'Anfangsbedingung' 
																weite Reisen 
																machen (Bild 
																oben) oder 
																praktisch 
																ortsfest bleiben 
																(Bild rechts, 
																Maßstab 
																beachten). 
																 
																Übrigens...: Die 
																Fragestellung 
																wie man einen 
																Körper auf einem 
																Sattel 
																balanciert gibt 
																es auch in der 
																Teilchenphysik. 
																Wenn der Sattel 
																mit der 
																passenden 
																Frequenz 
																rotiert, kann 
																man Herrn 
																Ljapunov einen 
																Streich spielen 
																und bekommt 
																beliebige 
																Kombinationen 
																aus Halo- und 
																Lissajous-Orbits 
																in einer
																
																Paulfalle. 
																 
																Es ist schon 
																erstaunlich, 
																dass sich die 
																Natur immer an 
																die gleichen 
																'Gesetze' hält - 
																egal in welcher 
																Größenordnung. 
																Woran das wohl 
																liegt? 
																 
																 | 
																
																  
																 
																 | 
												 
												
																Die 
																Trojanerbahnen 
																von oben in 
																gleichem Maßstab 
																 
																  
																Rechts: "Jupiter (großer 
																roter Fleck) auf 
																der Jagd nach 
																einem Trojaner" 
																(gelb) im 
																Inertialsystem 
																(siderisch). 
																Jupiter - zur 
																Vereinfachung 
																auf eine 
																Kreisbahn 
																gesetzt -, L4 
																(schwarz) und 
																die Sonne (im 
																Ursprung gedacht) bilden 
																immer ein 
																gleichseitiges 
																Dreieck. 
																Wenn man alle 
																410 Bilder 
																abwartet, sieht 
																man die 
																Wanderung des 
																Trojaners auf 
																der "langen 
																Bahn" (siehe 
																oben), 
																beginnend in L4 
																und (fast) 
																wieder endend in 
																L4. Und wenn man 
																genau hinschaut, 
																sieht man auch 
																die 
																'Übersetzung' 
																der 
																Zykloidenbahnen 
																vom synodischen 
																System ins 
																siderische: 
																azimutal pendelt 
																der Trojaner 
																bezüglich L4 in 
																Schüben 
																'vorwärts' und 
																dann wieder 
																'rückwärts', 
																wobei er auch radial 
																zwischen 
																'Außenbahn und 
																Innenbahn' 
																pendelt. | 
																
																 
																  
																 
																 | 
												 
								 
								 
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mit R.P.F. vertrösten: "It is so complicated, that we postpone this problem 
until next year."
  
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