Nicht aufgelöste Quantensprünge
© 2005
In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts hat man gelernt, mit einzelnen Atomen und Ionen zu experimentieren (nicht nur damals höchste Experimentierkunst! -> Paul-Falle) und hat etwa folgende Signale der Resonanzfluoreszenz aufgenommen (Prinzipskizze):

Aus den scheinbar sprunghaften Änderungen des Signals (symbolisiert durch die senkrechten Geradenstücke) schloss man auf den direkten Nachweis von "Quantensprüngen" eines einzelnen Atoms (Ions). Eine sehr mutige Extrapolation bei etwa 10 "Quantensprüngen" in 100 Sekunden! Abgesehen davon, dass es nicht nur experimentell sondern auch theoretisch unmöglich ist, eine Zeitmessung mit unendlich hoher Genauigkeit zu machen (ein Sprung dauert nun einmal nur 0.0 Sekunden und das ist zu scharf für die Energie-Zeit-Unschärferelation, weil dann die Energie der nachgewiesenen Photonen beliebige Werte annehmen müsste): Die Schwingungsdauer von Licht ist etwa eine Femptosekunde. Wenn man "Quantensprünge" vernünftig auflösen will, muss man mit einer Auflösung von Attosekunden arbeiten, was auch in modernen Experimenten geschieht. Dennoch sind die Experimente der "ersten Generation" sehr interessant:
Wie funktionieren diese Experimente?
Man nimmt sich ein Atom mit V-Konfiguration. Vom "Grundzustand" S gibt es einen starken Dipolübergang zum P-Zustand (kurze Lebensdauer), der in Resonanzfluoreszenz beobachtet wird und obiges Signal erzeugt. Wäre dies der einzige Übergang, so würde man eine in etwa konstante Zählrate der Photonen (in obiger Darstellung 1000/sec) beobachten.

Daneben gibt es aber auch noch einen schwachen Quadrupolübergang von S nach D (lange Lebensdauer). Durch Einstrahlung passender Photonen kann man diesen Übergang induzieren und das Elektron im Zustand D für längere Zeit parken (-> Dehmelt, "shelved electron"). Natürlich erlischt dann das Fluoreszenzsignal (Dunkelphasen) und setzt erst wieder ein, wenn das Elektron von D nach S zurückkehrt. Und weil das in obigem Zeitmaßstab (Sekunden) wie ein Sprung aussieht, schloss man wohl etwas voreilig auf den experimentellen Nachweis von "Quantensprüngen", die "sich instantan (also mit einer Dauer von 0.0sec) ereignen".
Was spielt sich tatsächlich ab?
| Alle Animationen wurden mit
      der zeitabhängigen Schrödingergleichung berechnet (H-Atom):
       Der Übergang vom
      kugelsymmetrischen S-Zustand zur Dipolverteilung P sieht so aus
      (nebenstehende Animation). Die 100 Bilder des Films wurden dabei mit einem
      extremen Zeitraffer berechnet: In Wirklichkeit macht das Atom weit über
      10^15 Schwingungen, wenn es von S nach P übergeht. Dabei ändert sich das
      Gewicht des Grundzustandes von 1 nach 0 (laufende Zahlen). (Durch die
      Wiederholung des Films scheint das Atom in den Grundzustand
      zurückzuspringen - aber keine Sorge, das hat noch niemand beobachtet ;-))
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| Der Übergang vom
      kugelsymmetrischen S-Zustand zur Quadrupolverteilung D sieht so aus
      (nebenstehende Animation). Die 100 Bilder des Films wurden dabei mit einem
      extremen Zeitraffer berechnet: In Wirklichkeit macht das Atom weit über
      10^15 Schwingungen, wenn es von S nach D übergeht (deshalb laufen
      Atomuhren auch so genau ;-)). Dabei ändert sich das Gewicht des
      Grundzustandes von 1 nach 0 (laufende Zahlen). (Durch die Wiederholung des
      Films scheint das Atom in den Grundzustand zurückzuspringen - aber keine
      Sorge, das hat noch niemand beobachtet ;-))
       Der aufmerksame Beobachter stellt fest, dass die Kugelsymmetrie der S-Verteilung recht schnell verschwindet: Es genügt schon eine kleine Beimischung (<< 1%) des D-Zustandes. Das bedeutet auch, dass schon nach kurzer Zeit (ein paar Femtosekunden) die Ladungsverteilung im Atom ganz anders aussieht als beim S-P-Übergang. Ein Photon, das mit einem Dipolübergang in diesem Atom unterkommen will, hat keine Chance mehr! Natürlich kann man dies nicht mit Messungen, die über ein paar Millisekunden mitteln, nachweisen.  | 
     
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| Die obigen 2D-Darstellungen
      zeigen nur einen Schnitt durch die Komplexität der Dynamik eines atomaren
      Übergangs. Wir können versuchen, eine Dimension weiterzukommen.
      Allerdings wird bei der 3D-Darstellung die Rechnung etwas aufwändiger,
      deshalb begnügen wir uns mit 20 Bildern.
       Aber auch mit dieser geringen Auflösung sieht man recht deutlich wie schnell ein Atom, das sich auf den Weg zu einer Quadrupolverteilung gemacht hat, für ein "Dipolphoton" unsichtbar wird. Wobei hier nicht berücksichtigt wurden: Spin, Feinstruktur, Hyperfeinstruktur, und andere QED-Effekte... In other words:  | 
     
     | 
  
Aktualisierung: In dem Anfang Juni 
		2019 veröffentlichten Artikel "To catch and reverse a quantum jump 
		mid-flight",
		
		https://www.nature.com/articles/s41586-019-1287-z
		wird experimentell nachgewiesen, dass ein atomarer Übergang 
		kontinuierlich und deterministisch abläuft (zumindest in einem 
		künstlichen Atom).
		Die theoretische Behandlung erfolgt mit "Quantentrajektorien" und führt 
		im Endeffekt auf das gleiche Ergebnis wie im
		Logistischen Modell vorgeschlagen.
Siehe auch
	Ensemble - Individuum
	Minev Quantum Jump
	Übergänge eines  
	Wasserstoffatoms
	
	Galerie | 
	Kaskade 
| Spontane Emission, logistisch |
	Weisskopf-Wigner
	What is a photon?
	Der Quantensprung
	Quantensprung in Zeitlupe
	"Are
there quantum jumps?"
	Historisches 
zum Quantensprung
	Weitere
Quantensprünge
	Rydbergatome
	Elektrofluid 
    
Literatur (Einstiegspunkte):
    
EXPERIMENTS WITH AN ISOLATED
        SUBATOMIC
        
        PARTICLE AT REST
        
        Nobel Lecture, December 8, 1989
        
        by
        
        HANS G. DEHMELT
        
        Department of Physics, University of Washington, Seattle, WA 98195, USA
        
QUANTUM MECHANICS WITH ONE,
        TWO, AND MANY ATOMS
        
        W. M. Itano, J. C. Bergquist, J. J. Bollinger,
        
        and D. J. Wineland
        
        Time and Frequency Division, National Institute of Standards and
        Technology
        
        Boulder, Colorado, 80303 U.S.A.
        
Monitoring the Dipole-Dipole
        Interaction via Quantum Jumps of Individual Atoms
        
        C. Skornia†, J.von Zanthier, G.S. Agarwal‡, E. Werner†, H.
        Walther
        
        Max-Planck-Institut für Quantenoptik and Sektion Physik der LMU
        München, D-85748 Garching, Germany
        
        † Institut für Theoretische Physik, Universität Regensburg, D-93040
        Regensburg, Germany
        
        ‡ Physical Research Laboratory, Navrangpura, Ahmedabad-380 009, India
        
        (June 7, 2005)
        
Looking at the photodynamics
        of individual
        
        fluorescent molecules and proteins*
        
        M. F. García-Parajó†, J.-A. Veerman, L. Kuipers, and N. F. van Hulst
        
        Applied Optics Group, Faculty of Applied Physics, MESA+ Research
        Institute,
        
        University of Twente, P.O. Box 217, 7500 AE Enschede, The Netherlands
        
Observational line
        broadening and the duration of a quantum jump
        
        L S Schulman
        
        Physics Department, Clarkson University, Potsdam, NY 13699-5820, USA
        
Continuous generation of
        single photons with controlled waveform in an ion-trap cavity system
        
        Matthias Keller1, Birgit Lange1, Kazuhiro Hayasaka2, Wolfgang Lange1
        
        & Herbert Walther1,3
        
        1 Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Hans-Kopfermann-Strasse 1,
        
        85748 Garching, Germany
        
        2 National Institute of Information and Communications Technology, 588-2
        
        Iwaoka, Nishi-ku, Kobe 651-2492, Japan
        
        3 Sektion Physik der Universität München, Am Coulombwall 1, 85748
        Garching, Germany
        
        
Links:http://www.physnet.uni-hamburg.de/ilp/toschek/ionen.html 
	(nicht mehr zu erreichen)
	
	Phys. Rev. Lett. 57, 1696 (1986): Observation of Quantum Jumps:
	
	
	http://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.57.1696
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